meinGrün: Erholung vor der Tür erleben
Grünflächen in Städten kommen seit jeher besondere Bedeutung für Lebensqualität und Freizeitwert der Bewohner zu. Als bekannte Beispiele hierfür sind u.a. der Central Park in New York sowie der Hyde Park in London zu nennen.
Seit 2018 arbeitet ISB AG mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie in einem Forschungsprojekt zusammen, um Grünflächen in Städten im Internet und mobil mittels moderner Suchansätze besser zu erschließen und nutzbar zu machen. Das Projekt meinGrün hat das Ziel eine App zu entwickeln, um urbane Grünflächen für die Menschen besser auffindbar zu machen und eine nachhaltige sowie gesunde Alltagsmobilität zu fördern.
Heidelberg und Dresden sind die beiden Pionierstädte im Projekt. Um das Projektziel zu illustrieren, denken wir uns eine fiktive Bewohnerin der Stadt Heidelberg und nennen unsere fiktive Bewohnerin Elke. Elke ist erst kürzlich nach Heidelberg gezogenund kennt sich noch nicht aus. Sie möchte an einem strahlenden Frühlingstag gerne einen Samstagnachmittag im Grünen verbringen und ein Sonnenbad nehmen. Elke startet die meinGrün-App auf ihrem Smartphone und sucht nach einem Ort in Heidelberg, der möglichst ruhig ist, Bänke zum Sitzen aufweist und sonnig ist. Die App zeigt Elke verschiedene Treffer an. Elke entscheidet sich für eine Grünfläche in ca. 2 km Entfernung und möchte dabei den Weg für einen Spaziergang nutzen. Die App übernimmt für sie auch die Wegfindung und berücksichtigt ihre Wünsche für eine möglichst autofreie und leise Strecke.
Die meinGrün-App schafft ihren Mehrwert über innovative Ansätze. Sie erlaubt es, Grünflächen für bestimmte Aktivitäten zu suchen. Zu den Aktivitäten gehören u.a. Fußball spielen, Lesen, Spazieren gehen, Entspannen oder Joggen. Weiterhin übernimmt die App das Routing zur gewünschten Zielfläche. Hier erlaubt die Anwendung dem Benutzer neben schnellster und kürzester Route individuelle Randbedingungen wie leise Wege, autofreie Wege, grüne Wege und Weiteres.
Von der Forschung in die Praxis
Um dieses Ziel zu erreichen, geht ISB AG mit zahlreichen starken Partnern an Bord ins Rennen:
Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) bringt die Expertise in der automatisierten Auswertung von Satellitenbildern mit. Über spezielle Methoden der Fernerkundung erkennen die Algorithmen des DLR Bäume, Sträucher und Wiesen auf den Satellitenaufnahmen. Hieraus kann das Kartenmaterial der meinGrün-App dann gezielt um Vegetationsarten angereichert werden.
Weiterer Partner ist das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), das das Verbundvorhaben leitet und koordiniert sowie die Grünflächenbewertung und Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Mit seiner Expertise im Flächenmonitoring werden die für die App nötigen Daten und das Kartenmaterial erstellt. So konnten Algorithmen entwickelt werden, um sinnvolle Zielpolygone für Grünflächen in den Städten zu generieren. Die Zielpolygone bilden die Basis für die Beschreibung der Grünflächen mit Indikatoren, die unter Nutzung offener Daten aber auch von OpenStreetMap abgeleitet werden. Mit Hilfe eines multikriteriellen Bewertungsansatzes ist es dann möglich, die Flächen in Bezug auf eine Nutzung für bestimmte Aktivitäten (z.B. Fußball spielen) bzw. bezüglich bestimmter Kriterien (Sauberkeit, Ruhe) zu bewerten.
In Sachen innovativem Routing und Wegfindung stellt das Heidelberg Institut for Geoinformation Technology (HeiGIT) sein Know-how dem Projekt zur Verfügung. Zu Hause in Heidelberg und assoziiert mit der Universität Heidelberg forscht das HeiGIT u.a. zu Routing-Algorithmen, die zusätzliche Bedingungen wie „leiser Weg“ oder ein Weg ohne eine bestimmte Baumart (wichtig für Allergiker) unterstützen.
Das Institut für Kartographie (IfK) der TU Dresden übernimmt die Entwicklung von Algorithmen zur Informationsextraktion aus Social Media. Damit liefern sie wichtige Grundlagen für das Bewertungssystem sowie das innovative Routing.
Projektpartner aus der Wirtschaft sind urbanista GmbH & Co. KG und mundraub. urbanista unterstützt das Projekt im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Einbeziehung der Bevölkerung und lokaler Vertreter. mundraub verfügt über eine Vielzahl an Daten zu Bäumen in Städten und ergänzt hier die Analysen und Erkenntnisse des DLR als auch des IÖR. Zudem ist mundraub im Bereich der Engagementstrategie aktiv.
ISB AG schließlich integriert alle von den Partnern bereitgestellten Dienste sowie Daten und entwickelt die App. Das Team hat sich für die Technologie einer Progressive Web App (PWA) entschieden. Diese Technologie verbindet einige Vorteile. So läuft die App unabhängig vom verwendeten Betriebssystem und Gerätehersteller in einem Browser. Damit verbinden sich Synergieeffekte, da die App nicht individuell für Android und iOS programmiert werden muss. Weiterhin kann die App dadurch nicht nur auf einem Smartphone, sondern auch in einem regulären Browser auf einem normalen PC mit Windows Betriebssystem eingesetzt werden. Durch den Verzicht auf App Stores können innerhalb von Minuten Updates ausgerollt werden, die alle Benutzer automatisch installiert bekommen. Für die Kartendarstellung setzt das ISBTeam auf ein selbst entwickeltes generisches Mapping-Framework, mit dem man flexibel eigenes Kartenmaterial mit Standardkarten, z.B. von OpenStreeMap kombinieren kann. Im Gegensatz zu normalen Webapps ist eine PWA auch besser verwendbar, wenn die Mobilfunk-Netzabdeckung des Benutzers schlecht ist und die Anwendung in Teilen auch offline benutzbar sein soll.
Unterstützt wird das ISB-Team von einem Werkstudenten und Bacheloranden der Hochschule Karlsruhe, der in seiner Bachelorarbeit einen rein durch Konfiguration steuerbaren Feedbackdienst für die App entwickelt. So kann das Verhalten der Benutzer verfolgt und getrackt werden (implizites Benutzerfeedback). Ebenso kann über Abfrage von Likert-Skalen (z.B. 5-SterneBewertung) oder über andere Eingabemasken explizites Feedback der Benutzer abgefragt werden, z.B. wie ihnen das Routing oder die gefundene Grünfläche gefallen hat. Im Vordergrund stand die Entwicklung eines Feedbacksystems, bei dem neues Feedback ohne weitere Programmierung in der App verankert werden kann. Der weitere Fokus lag auf der Wahrung der Privatsphäre und Anonymität der Benutzer, welche vollständig eingehalten werden soll.
Das Projekt ist gerade in seine Beta-Phase gestartet: In Kooperation der Partnerstädte Dresden und Heidelberg evaluieren ca. 70 Betanutzer den aktuellen Pilotstand der App. So wird die App nun live auf Herz und Nieren geprüft. „Das Feedback der Betanutzer wird ein wesentlicher Bestandteil sein, die App bis zum nächsten Release im Frühjahr 2020 weiterzuentwickeln. Wir möchten dadurch gezielt Schwachstellen erkennen und diese ausmerzen. Ebenso haben wir die Möglichkeit, neue gewünschte Features zu erkennen und einzubauen“, weiß der ISB-Projektleiter Dr. Andreas Sonnenbichler.
Das Projektende ist für das Frühjahr 2021 geplant. Der Projektplan sieht vor, noch zwei weitere Releases herauszugeben. Planmäßig soll das kommende Release dann bereits allgemein der Öffentlichkeit und interessierten Benutzern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Wie es nach dem Projekt weiter geht, ist dagegen noch offen. „Wir evaluieren gerade intensiv Verwertungsmöglichkeiten nach Projektende. Denkbar ist eine Ausweitung auf andere Städte oder auch eine Fokussierung auf abgewandelte Anwendungsbereiche wie den Tourismus“, so Dr. Andreas Sonnenbichler.
Gefördert wird das Forschungsprojekt meinGrün vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) über die Initiative des Modernitätsfond (mFUND).
Wir sind gespannt, wie es mit dem Projekt weitergeht.