KI in der Individualsoftwareentwicklung
Einleitung
Wie fühlt sich Veränderung an und – erleben wir diese gerade? Lassen Sie mich kurz persönlich zurückblicken: Ich habe in meinem Studium der Geographischen Informationssysteme (GIS) vor zwanzig Jahren Papierlandkarten digitalisiert, um dann Auswertungen mit Spezialsoftware auszuführen. Der GPS-Empfang war auf Grund militärischer Sicherheitserfordernisse „gestört“ – die Programme waren für Spezialisten. Heute nutzen wir Geoinformation nahezu überall – von der Hotelsuche bis hin zum persönlichen Fitness-Assistent. In den letzten zwanzig Jahren ist eine Entwicklung erfolgt, die ich mir nicht hätte vorstellen können. War das eine Zeitenwende? Nein – eher eine kontinuierliche Fortentwicklung. Allerdings steht uns jetzt eine Zeitenwende bevor: Das Jahr 2023 markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung künstlicher Intelligenz mit der Einführung von GPT-4, einem fortschrittlichen Sprachmodell, das die Grenzen des Möglichen neu definiert und den Weg für eine Zukunft ebnet, in der Technologie und menschliche Kreativität in einzigartiger Weise zusammenwirken. Seit Langem verfolgen wir bei CONET ISB die Entwicklungen in diesem Bereich, da es für uns als Dienstleister essenziell ist, unsere Innovationskraft in den Projekten täglich gemeinsam mit Ihnen unter Beweis zu stellen. Gemeinsam mit unseren Experten aus dem KI-Team schließen wir uns der Einschätzung des Fraunhofer-Instituts an:
Die zu erwartenden Auswirkungen von Generativer KI auf Unternehmen, ihr Angebotsspektrum und ihren wirtschaftlichen Erfolg werden so erheblich sein, dass ein proaktives strategiebasiertes Vorgehen (im Gegensatz zu einem reaktiven Laissez-faire-Ansatz) dringend angeraten wird.
Zitat: Fraunhofer
Wir bei CONET ISB sind uns einig, dass der Nutzen von KI in unseren Projekten nicht einfach beiläufig entsteht. Vielmehr betrachten wir die Einführung und die verantwortungsvolle Nutzung von KI, die sowohl gesetzlich korrekt als auch ethisch vertretbar ist, als strategische Herausforderung. Daher ist es notwendig, dass wir unsere Betrachtungsweise nachfolgend vertiefen.
Aktueller Stand und Erfahrung
Die Softwareentwicklung maßgeschneiderter Lösungen stellt unser Kerngeschäft dar und wird maßgeblich vom technologischen Fortschritt, insbesondere auch durch KI, beeinflusst. Die folgenden Thesen beschreiben die allgemeine Perspektive auf diesen Wandel:
- KI-Tools sind grundsätzlich in der Lage, repetitive und zeitaufwändige Aufgaben zu automatisieren.
- Die Integration von KI in den Softwareentwicklungszyklus ermöglicht es Entwicklern, effizienter zu arbeiten und sich verstärkt komplexeren Herausforderungen zu widmen.
- KI-gestützte Automatisierung der Codegenerierung beschleunigt den Entwicklungsprozess und steigert die Codequalität.
- Die Funktionalität und Gestaltung maßgeschneiderter Software wird sich verändern, was zu qualitativen Verbesserungen, weiterer Individualisierung der Software und einer effektiveren Integration von KI-Funktionen führt, um spezifische Geschäftsprozesse zu unterstützen.
Konkret lässt sich folgender Überblick für den Einsatz von KI in der Softwareentwicklung erstellen (bzw. mittels Einsatz Chat-GPT 4.0 ableiten):
Selbst wenn heute in einem ersten Einführungsschritt nur Teilprozesse aus der Abbildung realisiert werden, ist das Nutzenpotential erheblich – wobei der Wert bei Weitem nicht ausschließlich im reduzierten Implementierungsaufwand liegt. Vielmehr sehen wir, dass mit dem Einsatz von KI beispielsweise eine deutliche Unterstützung im Test- und Qualitätsmanagement sowie der Dokumentation einhergeht und die Qualität erhöht. Am Beispiel des Einsatzes eines Standard-Werkzeugs zur KI-gestützten Code-Vervollständigung (Github-Copilot) lassen sich die in der Abbildung dargestellten Einsatzbereiche bzw. Nutzenversprechen bereits heute in der täglichen Projektarbeit bestätigen. Allerdings zeigt unsere Erfahrung auch, dass die Einführung von neuen KI-Methoden und Vorgehensweisen einer deutlichen, mittelfristigen Unterstützung bedarf: Die Entwicklung ist hochdynamisch und die Programmierung verändert sich durch den Einsatz von KI-Werkzeugen schnell – wir kommen nicht umhin zu schulen, zu evaluieren und auszuprobieren. Einige Beispiele der Veränderung:
- Die Arbeitsweise, wie wir zukünftig Aufgaben bearbeiten und wie diese formuliert werden, bestimmt in der „Zusammenarbeit mit der KI“ das resultierende Ergebnis wesentlich – vom Anforderungsmanagement über die Softwareentwicklung bis hin zur Qualitätssicherung. Das sorgfältige Formlieren von Anfragen, auch „Prompting“ genannt, entwickelt sich zu einer wesentlichen Kernkompetenz, die erlernt und kontinuierlich geübt werden muss.
- Die Schulung und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden ist eine wesentliche Investition in unsere Zukunft. KI-Kompetenz ist für uns keine Zusatzqualifikation, sondern eine fundamentale Basisfähigkeit. Unser Ziel ist es, die KI-Kompetenz unserer Teams systematisch zu verbessern – ein Prozess, den wir als „KI-Upskilling“ bezeichnen.
- Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, seine persönlichen KI-Fähigkeiten zu entwickeln. Wir unterstützen diese Bemühungen nach Kräften, denn wir sind überzeugt – und dies zeigt auch die Studienlage –, dass eine fundierte Qualifikation der erste Schritt in eine erfolgreiche KI-Zukunft ist.
- Um die Vorstellungskraft und somit den „Lösungsraum“ für den KIEinsatz zu erweitern, haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn unsere Expertengruppe die Leistungsfähigkeit der KI-Werkzeuge anhand anschaulicher Beispiele demonstriert. Dadurch können wir die Fantasie unserer Mitarbeiter und Kunden schulen und erweitern.
- Die Fähigkeit des „kritischen Hinterfragens“ stellt eine weitere Kernkompetenz dar, welche unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beherrschen müssen. Kritisch hinterfragt müssen beispielsweise die Punkte:
- Prüfung der Verlässlichkeit der Ergebnisse, insbesondere die Unterscheidung von korrekten Ergebnissen und Halluzinationen
- Sensibilität bzgl. Herkunft des verwendeten Netzes und dessen Trainingsdaten auf die Ergebnisse
- Wie schmal ist der Grad zwischen nutzerspezifischer, individuali sierter Aufbereitung und konkreter Manipulation?
Technologische Entwicklung und Rahmenbedingungen
Während der Einsatz von KI-Werkzeugen von der Stange eine Optimierung bzw. Verbesserung vorhandener Prozesse bzw. Arbeitsweisen in der Softwareentwicklung erbringt, zeichnet sich das disruptive Potential bereits deutlich ab: Jeder Prozess, der in irgendeinem Teilschritt Text/Sprache/Bilder enthält, kann potenziell automatisiert oder teilautomatisiert werden. Wir sind in einem hochdynamischen Umfeld; aktuell kommen jede Woche neue Werkzeuge und Ideen auf den Markt. Mit der Einführung von GPT-4 sind nun erste Ansätze einer allgemeinen Intelligenz zu erkennen, die auf eine noch wesentlich breitere Anwendbarkeit in verschiedenen Domänen hindeuten (Sparks of Artificial General Intelligence: Early experiments with GPT-4, https://arxiv.org/abs/2303.12712)
Technologieriesen wie Microsoft/OpenAI, Meta und AWS richten ihre Unternehmensstrategien zunehmend auf KI aus und investieren Milliarden in die Hardware und das Training neuer, multimodaler Sprachmodelle, die sowohl Text als auch Video verstehen können. Parallel dazu trägt die umfangreiche Open Source-Community mit regelmäßigen Publikationen und Modellen erheblich zur Entwicklung bei. (The Alliance AI, https://thealliance.ai/) Während die technologische Entwicklung unaufhaltsam nach vorne strebt und der Einsatz von KI-Werkzeugen massiv vorangetrieben wird, sind einige wichtige Grundsatzfragen beispielsweise im Datenschutz und bzgl. der Nutzungsrechte noch in Klärung.
Datenschutz:
Die DSGVO enthält keine expliziten Bestimmungen bzgl. dem Einsatz von KI-Systemen. Allerdings finden die allgemeinen Grundsätze der Verordnung auch hier Anwendung: Immer dann, wenn personenbezogene Daten für KI-Systeme genutzt werden, müssen alle DSGVO-Anforderungen eingehalten werden. Dies gilt u. a. auch für Abfragen, welche an öffentliche Netze gestellt werden und beispielweise für zukünftiges Training von neuronalen Netzen verwendet werden können.
Nutzungsrechte:
Sofern die Ergebnisse von KI-Werkzeugen in der Softwareentwicklung den Charakter einer individuellen Code-Vervollständigung in kleinem Umfang haben, erscheint uns die Wirkung auf die Nutzungsrechte reduziert. Allerdings ist die grundsätzliche Frage der Nutzungsrechte bei der Erstellung von großen, eigenständigen Blöcken offen – erschwert wird die Fragestellung zusätzlich, wenn beispielsweise der Trainingsdatensatz der Werkzeuge auf OSS-Bibliotheken aufbaut.
Schutz eigener, kritischer Geschäftsprozesse:
Sobald Anwendungen für unternehmenskritische Geschäftsprozesse mittels KI-Werkzeugen entwickelt werden, muss ebenfalls sichergestellt werden, dass die Informationen nicht weiterverwendet werden.
Die genannten Punkte erzeugen aktuell eine große Unsicherheit bzgl. Datenschutz, Nutzungsrechte etc. Allerdings erscheint eine kurzfristige allgemeine Klärung zumindest derzeit fraglich. Gleichzeitig besteht Handlungsbedarf. Deshalb erscheint uns eine Prüfung von KI-Projekten im Einzelfall sinnvoll, um die konkreten, gesetzeskonformen Vorgaben festzulegen und das Projekt auf dieser Basis anzuschieben. In diesem Zusammenhang kann es weiterhin notwendig sein, neben der Nutzung großer, allgemeiner Netze, auch eigene, lokale Modelle zu betreiben und diese ggf. projektspezifisch vorzuhalten. Dabei werden die lokalen Modelle mit eigenem Wissen aus dem Unternehmen oder auch eigenem Code angereichert; die jeweiligen Trainingsdaten sowie die neuronalen Netze werden lokal vorgehalten. Durch geschickte Verschneidung lassen sich so die Ergebnisse aus „öffentlichen“ und lokalen Netzen kombinieren und datenschutzkonform verarbeiten.
Zusammenfassung
Als zukunftsorientiertes Unternehmen sehen wir die disruptiven Potentiale der Künstlichen Intelligenz insbesondere darin, maßgeschneiderte Softwareprodukte zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt sind. Weiterhin verbinden wir mit unserer Rolle als Technologieberater auch den Anspruch, am Puls der Zeit zu sein und die neuesten Entwicklungen zu beobachten, zu evaluieren und deren Einsatz aktiv mitzugestalten. Dies erfordert neben der Weiterbildung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch die Kooperation sowohl innerhalb der CONET-Gruppe als auch in der Technologieregion Karlsruhe. Dazu zählt beispielsweise das Forschungszentrum für Informatik (FZI), mit welchem wir seit langen Jahren einen partnerschaftlichen Austausch pflegen. Wir bei CONET ISB sind überzeugt, dass der verantwortungsbewusste Umgang mit KI-Technologien erhebliche Potentiale bietet. Wir leben in einer Zeit fortwährender Innovationen, die es gilt aktiv zu nutzen, um sowohl den wirtschaftlichen Anforderungen als auch den gesellschaftlichen Wertvorstellungen zu entsprechen.