

Fachthema
Digitalisierung im Bildungsbereich
Nicht nur in Wahlkampfzeiten ist die (schulische) Bildung von zentraler Bedeutung für ein Land wie Deutschland. Im Wettbewerb der Bildungsstandorte sind die für das Bildungsmanagement, -monitoring und -controlling zuständigen Akteure gefordert, sich auf sich verändernde gesellschaftliche und technologische Rahmenbedingungen einzustellen. In diesem Artikel beschreiben wir Ansätze, wie die Digitalisierung im Bildungsbereich gelingt.
Schulische Bildung wird gerne als „kritischer Rohstoff“ für unser Land bezeichnet – Bildungsforschung, Bildungssteuerung und Bildungsmonitoring und deren Unterstützung durch digitale Prozesse werden somit zunehmend zu einem Standortfaktor. Auch der OZG-Leistungskatalog adressiert mit dem Themenfeld Bildung/Schule den Bedarf an Lösungen für ein ebenenübergreifendes Bildungsmanagement für Schulen, Behörden und Bürger.
Voraussetzung für gute Bildung ist die richtige Versorgung der Schulen mit qualifiziertem Lehrpersonal. Digitale Medien unterstützen zwar das künftige Lernen, werden aber nicht die Lehrkraft ersetzen wollen und können. Zur Steuerung des Bildungssystem und zur Gewährleistung der Unterrichtsversorgung braucht es tragfähige, verlässliche Planungsund Steuerungsdaten.
Die Potenziale einer effektiven Schulverwaltung können mit den historisch gewachsenen Verfahren und IT-Strukturen nicht entfaltet werden. Oftmals rein fachlich entwickelt, genügen diese inzwischen nicht mehr den Anforderungen an Datenschutz und Technologie. Unsere Erfahrung zeigt, dass Schulverwaltung dann funktioniert, wenn sowohl Prozesse harmonisiert als auch IT-Verfahren vereinheitlicht werden. Länder wie Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sind seit vielen Jahren auf diesem Weg und haben entsprechende Projekte umgesetzt. Auch Sachsen-Anhalt hat 2019 das Projekt „Bildungsmanagementsystem Sachsen-Anhalt (BMS-LSA)“ gestartet.
Im Folgenden möchten wir die Herausforderungen der digitalen Transformation im Bildungsbereich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und Ansätze beschreiben wie Digitalisierung Nutzen stiften kann.
Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein
Digitalisierung muss einen echten Mehrwert für die beteiligten Akteure schaffen. Einfach bestehende Verhaltensweisen in digitaler Form abzubilden mag kurzfristig helfen, führt aber auf Dauer zu keiner Verbesserung. Dies wird anhand der folgenden Beispiele greifbar:
Viele Lehrkräfte arbeiten im heimischen Büro bereits mit digitalen Lösungen unterschiedlichster Art, etwa Excel-Tabellen zur Erfassung von Noten, die auf dem USB-Stick gespeichert und in die Schule getragen werden. Im ersten Moment erfüllen solche Lösungen ihren Zweck und helfen bei der täglichen Arbeit. Bei genauerer Betrachtung werden aber Nachteile sichtbar: So sind solche Lösungen datenschutzrechtlich bedenklich, darüber hinaus müssen die Daten für den Zeugnisdruck nochmals in der Schule erfasst werden, was zu Doppelarbeit und Fehlern führen kann.
Digitalisierung wird dann richtig umgesetzt, wenn statt der Lehrkräfte die Daten laufen: Die Notenerfassung erfolgt online in einem zeitgemäßen und sicheren System, welches direkt über sichere Schnittstellen mit der Schulverwaltungssoftware verbunden ist. Für Schulen und Lehrkräfte bedeutet dies Arbeitsentlastung und Rechtssicherheit. Dies zeigt das Modul „Notenerfassung Online“, welches in Baden-Württemberg zur Verfügung steht.
Für Schüler bietet Digitalisierung die Möglichkeit den Informationsaustausch mit der Schule zu verbessern. 95 % der 12- bis 13-jährigen Schüler verfügten 2019 über ein Smartphone1. Bei den Kindern der Autoren geht der erste Blick am Morgen auf die Stundenplan-App. Auch Messenger-Apps gehören zum Schüler-Alltag. Entsprechend verändert sich auch die Kommunikation zwischen Schule und Eltern/Schülern. Der Einsatz kommerzieller Dienste wie WhatsApp ist jedoch keine anzustrebende Lösung. Eine Chance bietet die Kopplung eines behördlichen Messenger-Dienstes mit der digitalen Schulverwaltungslösung. Die darin vorliegenden Informationen ermöglichen z.B. die Einrichtung von Klassengruppen und -chats und somit eine zielgerichtete und effiziente Kommunikation.
Aus Sicht der Schulaufsichtsbehörden bietet die Digitalisierung auch Verbesserungspotentiale, etwa bei Datenerhebungen zur Schulstatistik. Auch hier gilt: nicht jeder heute etablierte Prozess muss auch morgen in digitaler Form vorliegen – vielmehr sollte die Chance genutzt werden, Prozesse und Datenflüsse zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Konkret: Wenn Schulen heute drei Papier-Formulare mit größtenteils gleichen Informationen an Schulträger, das Ministerium und das Statistikamt senden, sollte Digitalisierung nicht dazu führen, dass zukünftig wieder drei Online-Formulare auszufüllen sind. Vielmehr können die Empfänger die einmal durch die Schule bereitgestellten Daten gemeinsam nutzen, sofern eine Verständigung über Datenumfang und -formate erzielt wird.
Digitalisierungsprojekte als Katalysatoren für Prozessverbesserungen
Viele Projekte beschäftigen sich damit analoge Prozesse abzulösen. Das ist – wie oben gezeigt – zunächst gut, greift allerdings zu kurz. Denn der zu starke Fokus auf den bisherigen Prozess kann den Blick auf Weiterentwicklung und Verbesserung – sprich den Blick auf das, was möglich wäre – verstellen.
Digitalisierungsprojekte sollten daher wie ein Katalysator wirken: Sie helfen, Bestehendes in seine Bestandteile zu zerlegen und die Entwicklung von Neuem zu befördern. Innovation ist dabei nicht nur im technischen Bereich gewünscht, sondern insbesondere auch auf der Prozessseite erforderlich.
Ebenenübergreifendes Bildungsmanagement setzt eine Prozesslandkarte voraus
Damit Bildungsmanagementsysteme auch tatsächlich auf die Prozesse des Verwaltungsbereichs ausgerichtet sind, sind rechtlich oder fachlich ausgerichtete Prozessmodelle erforderlich und ebenen- bzw. organisationsübergreifend ausgelegt. Geschäftsprozesse und Abläufe werden darin aus Sicht der Benutzer bzw. Endkunden beleuchtet und beschrieben, somit wird der Mensch ins Zentrum der digitalen Transformation gestellt. Dabei gilt: das was Sie privat schätzen wird auch im beruflichen Umfeld Mehrwert bringen. Eine moderne, intuitive Bedienung und auf den Menschen abgestimmte (user-centered) Prozesse erhöhen die Chancen auf breite Akzeptanz.
Eine einheitliche Datenbasis als Voraussetzung für nachgelagerte Prozesse
Auch wenn das Thema Schülerdatenmanagement ganz sicher kein neues ist, ist es dennoch von entscheidender Wichtigkeit. So wie Produkt-Stammdaten in Kombination mit Stücklisten und Produktionsplänen im Industrie-Bereich Voraussetzung für die Erzeugung von Produkten sind, sind Schülerdaten in einem „Bildungs-ERP“-System Ausgangspunkt und notwendige Voraussetzung für Bildungsmanagement. Saubere, einheitliche Schülerdaten sind Voraussetzung für Stundenplanung, den Zeugnisdruck oder auch für die o.g. Versorgung von Schulen mit Lehrkräften. Sie können aber auch Grundlage z.B. für ein Identity Management bilden oder sind Ausgangspunkt für die Einbindung von Eltern und Schülern in digitale Bildungsmanagement-Prozesse (vgl. OZG). Digitalisierungsvorhaben im Bildungsbereich sollten also zu Beginn sicherstellen, dass eine einheitliche und zuverlässige Datenbasis geschaffen wird.
Von Anderen lernen
Deutschland hat sich bisher (noch) nicht als internationale Speerspitze der Digitalisierung hervorgetan. Länder wie z.B. Estland im Verwaltungsbereich oder Singapur im Bildungsbereich sind hier deutlich weiter fortgeschritten. Der Vorsprung der anderen birgt aber auch die Chance, von deren Erfahrungen zu profitieren und bewährte Ansätze zu übernehmen und zu adaptieren.
Auch im innerdeutschen Vergleich sind die Bundesländer unterschiedlich weit bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategien im Bildungsbereich fortgeschritten. So verfügen einige Länder bereits über einheitliche Schulverwaltungslösungen und -systeme auf Behördenseite. Auch hier bietet sich die Chance zum Austausch bis hin zur Übernahme von Lösungen von einem Land in andere Länder.
Vereinheitlichung und Standardisierung
Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden – aber warum nicht einmal etwas erfinden, bei dem das Rad ein Teil davon ist? Auf den Bildungsbereich übertragen bedeutet das: auch wenn die Bildungssysteme sich (im Detail) von Land zu Land unterscheiden, muss nicht jedes Digitalisierungsvorhaben auf der grünen Wiese starten. Vielmehr wiederholen sich die mit der Einführung einer Bildungsmanagementlösung verbundenen Fragestellungen, und Geschäftsprozesse sowie Anforderungen an Architektur, Datenhaltung oder Benutzerschnittstellen sind oftmals ähnlich. Damit drängt sich fachlich wie technisch die Frage nach Vereinheitlichung bzw. Standardisierung oder auch Wiederverwendung auf. Halten Sie also Ausschau nach bestehenden Lösungen und Partnern, die Ihr Vorhaben durch Zulieferung von Know-How und (Basis-) Komponenten unterstützen können.
Digitalisierung im Bildungsbereich ist eine kontinuierliche Innovationsaufgabe
Das Klischee von den langsam mahlenden Mühlen im öffentlichen Bereich kann aus unserer Erfahrung heraus nicht bestätigt werden – vielmehr zeichnet sich dieses Umfeld durch eine hohe Dynamik aufgrund sich ständig ändernder Anforderungen und Rahmenbedingungen aus.
Digitalisierungsprojekte im Bildungsbereich sind daher selten in kurzer Zeit abgeschlossen, sondern eine kontinuierliche Innovationsaufgabe. Prozesse und Systeme müssen anpassbar und erweiterbar gestaltet werden und auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren können. Hier helfen agile Vorgehensweisen. Agilität ermöglicht die Realisierung von Digitalisierungsvorhaben in iterativen und zeitlich überschaubaren Planungs- und Entwicklungszyklen, die flexible fachliche Ausgestaltung und Abfolge der Ausbaustufen sowie die schrittweise Bereitstellung von Funktionalitäten für die Nutzerinnen und Nutzer.
Die richtige Teamzusammensetzung
Für das Gelingen von Digitalisierungsvorhaben ist ein Team aus erfahrenen und verlässlichen Partnern sehr wichtig. Dies schließt Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen ein. Mit den richtigen Umsetzungspartnern legen Sie den Grundstein für eine erfolgreiche Umsetzung. Dabei sollten Sie sich aber nicht ausschließlich auf Externe verlassen – positive Effekte der digitalen Transformation werden sich nur dann richtig entfalten, wenn die Lösung und die damit verbundene Veränderung auch von den internen Teammitgliedern getragen wird. Die digitale Transformation ist Teamarbeit!
Fazit/Ausblick
Damit die Digitalisierung im Bildungsbereich gelingt, ist noch einiges zu tun. Die oben skizzierten Ansätze helfen unserer Meinung nach, den Weg erfolgreich zu gestalten. Wir sind gespannt, wie wir Chancen und Herausforderungen gemeinsam umsetzen. Am Ende des Tages muss die Digitalisierung im Bildungsbereich den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Lehrer, Schüler, Eltern und die Mitarbeiter in der Schulaufsicht müssen einen echten Nutzen davon haben.